Vom Lehn zum
Erbbaurecht: Teil I
3.1 Lehn
3.1.1 Historie
Sprachlich ist das Wort "Lehn" mit "Leihen" verbunden. Es
bedeutet also soviel wie eine "geliehene Sache".
Das Gegenteil zum Lehn bildet das freie
uneingeschränkte Eigentum (Allodialgut,
verkäufliches und vererbliches Eigentum). Das
Lehnswesen ist aus der Verschmelzung zweier Rechtsinstitute
entstanden, des Benefizialwesens und der Vasallität,
die hauptsächlich germanischen Ursprungs waren. Beide
Institute werden nachfolgend erläutert.
3.1.2 Entstehung
6.
und 7. Jahrh.
Das fränkische Reich der Merowingerzeit befand sich
aufgrund der Erbkriege unter den Herrschenden zeitweise in
nahezu anarchischen Zuständen. Ursprünglich
gedacht zum Schutz gegen Gewalt und zur Sicherung des
Unterhalts verdingten sich wehrfähige Männer
gegenüber ihren "Herren" zu Kriegsdiensten und zur
Übernahme sonstiger Pflichten.
Die mit vassus, vasallus (Vasallen) bezeichneten,
Gefolgsmänner erklärten ihre "Kommendation" in der
Form eines Geschäfts von Angebot und Annahme. Die
Kommendation - die Unterwerfung des Vasallen in den Schutz
und die Gewalt eines anderen - erfolgte durch einen
besonderen Akt, bei dem sich der Kommendierende
übergab, indem er seine zusammengelegten Hände in
die offenen Hände des Herrn legte.
Die Erklärung einer Kommendation, gefunden in
"Was ist das Lehnswesen", Ganshof, Francois Louis,
(Quellen:
6.2.2)
ist hier wegen ihrer besonderen Bedeutung vollständig
zitiert:
"Wer
sich in die Gewalt eines anderen kommendiert."
"An den großmütigen Herrn..., ich ....
Da es allen wohl bekannt ist, daß es mir an Nahrung
und an Kleidung fehlt, habe ich mich bittend an Euer
Erbarmen gewandt und habe frei beschlossen, mich in Eure
Munt zu begeben oder zu kommendieren. Und das habe ich
getan; es soll so sein, daß Ihr mir mit Speise und
Kleidung helft und mich unterhaltet, und zwar in dem
Maße, wie ich Euch dienen und mir damit Eure Hilfe
verdienen kann. Bis zu meinem Tode muß ich Euch
dienen und gehorchen, so wie ich es als freier Mann
vermag, und zeit meines Lebens werde ich mich Eurer
Gewalt und Munt nicht entziehen können, sondern ich
werde, solange ich lebe, unter Eurer Gewalt und Eurem
Schutz bleiben. Und so kamen wir überein, daß
der von uns beiden, der sich diesen Abmachungen entziehen
wollte, seinem Vertragspartner soundsoviel Solidi zahlen
muß und daß die Vereinbarung selber in Kraft
bleibt. Daher schien es angebracht, daß die
Parteien zwei Urkunden gleichen Inhalts verfaßten
und bestätigen.
Und so taten sie."
Danach waren
die "Vertragspartner" sich gegenseitig einerseits zu Dienst
und Gehorsam und andererseits zu Unterhalt und Schutz
verpflichtet.
Die Erfüllung des Unterhalts erfolgte häufig durch
die Überlassung von Ackerland, als "Leihe" bezeichnet.
Für eine Leihe fand sich bald die Bezeichnung
benefizium "Wohltat" weil von dem Beliehenen für die
Nutzung des fremden Ackers in der Regel kein Zins verlangt
wurde.
Unter den karolingischen Herrschern vereinigten sich die
Institutionen Benefizium und Vasallität in der Weise,
daß die Dauer der Gewährung eines Benefiziums
stets an das Leben des Herrn oder des Vasallen gebunden war
(Quellen:
Ganshof, a. a. O. 6.2.2).
Maßgeblich beeinflußt von den ständigen
kämpferischen Auseinandersetzungen erfolgten Vergaben
von Benefizien an Krieger, was Ende des 7. Jahrh. zu einer
Landknappheit führte.
8.
Jahrh.
Durch Karl Martell, fränkischer Herzog, (688 - 741) und
seine Söhne Pippin, König der Franken, (715 - 768)
und Karlmann (711 - 754) erfolgten - nach der Verteilung der
Krongüter - umfassende Einziehungen
(Säkularisierungen) von Kirchengütern zu
Landverleihungen an berechtigte Vasallen, die in
großem Stil vorgenommen und systematisch geregelt
wurden (Quellen:
Nack, a. a. O. 6.2.8).
Da das Kirchengut unveräußerlich war, konnte den
Empfängern solchen Grundbesitzes nur ein Leihrecht
eingeräumt werden, wie es entsprechend den
fränkischen Konzilen Vereinbarung zwischen der Kirche
und den weltlichen Herren fand.
Es war u. a. auch Inhalt solcher Regelungen, daß nach
dem Tode die Berechtigung auf eine Übertragung des Guts
ein das Benefizium eines anderen Vasallen zu geben der
gleichfalls in Kriegsdiensten des Herrn stand.
So entstand das mittelalterliche Lehn durch Verbindung von
Benefizialwesen und Vasallität.
"Die
Treuepflicht, seither Zentralbegriff des Lehnswesens,
bindet Gefolgsmann und Herrn. Die Landleihen sollten beim
Tod des Belehnten wieder an den Lehnsherrn
zurückfallen"
(Quellen:
Pleticha, a. a. O. 6.2.11 S. 356).
Mit der
Kommendation verband sich häufiger ein Treueid, dessen
Verletzung einer Todsünde entsprechend Ahndung
fand.
Das Verbot zum Verlassen des Herrn ohne dessen Zustimmung
konnte nur aus begrenzten Gründen gebrochen werden,
wozu Angriffe auf Leib und Leben des Vasallen,
Schändung oder Verführung dessen Frau oder
Tochter, Angriff mit erhobener Waffe und
Vernachlässigung der Schutzpflicht zählten
(Quellen:
Ganshof, a. a. O. 6.2.2).
9.
Jahrh.
Durch Aufbau des mittelalterlichen Staatssystems
entstand unter Karl dem Großen, mit den Pfalzen als
Königsgütern, eine neue Raumordnung. Die
Ansiedlungen von königlichen Pfalzen und Burgen
außerhalb der bischöflichen Sitze führten
später zu einer Trennung von Kirchengut und
Königsgut sowie zur Rückgabe konfiszierter
Kirchengüter, bzw. zu der Verpflichtung des Vasallen
(Benefiziars), an die Kirche als Grundeigentümerin
einen geringen Anerkennungszins zu entrichten.
In der Geschichtsliteratur ist die Auffassung verbreitet,
daß die Erblichkeit von Benefizien außer
für Höhergestellte etwa ab Mitte des 9. Jahrh. zur
Gewohnheit wurde. Maßgeblich für diese Auffassung
ist das Kapitular (königliche Satzung) Karls des Kahlen
(823 - 877) von Quierzy und die von ihm angeblich
verfügte Erblichkeit der Benefizien.
Folgende Zitate widerlegen diese Auffassung:
"Es
kam auch vor, daß im Text des Kapitulars selbst
ausdrücklich auf den zeitlich begrenzten Charakter
bestimmter "Verordnungen" hingewiesen wurde. Das
eindeutige Beispiel hierfür bietet ein
berühmtes westfränkisches Kapitular, das von
Quierzy, das Karl der Kahle im Juni 877 bekanntgab. Die
Gültigkeit der darin enthaltenen Bestimmungen sollte
auf die Dauer von Karls des Kahlen Italienzug begrenzt
sein. Nur für die Dauer dieses Italienzugs wurde z.
B. festgelegt, daß bei Ableben eines Grafen oder
Vasallen einer seiner Söhne die Grafschaft oder
Benefizium erhalten sollte" (Quellen:
Ganshof, a. a. O., 6.2.3 - S. 138).
"Am
Ende des 9. Jahrh. hatte der Vasall an seinem Benefizium
immer noch lediglich die Rechte eines Nutznießers.
Der Eintritt in die Vasallität ist also die
notwendige Voraussetzung für die Bewilligung eines
Benefiziums" (Quellen:
Ganshof, a. a. O., 6.2.2 - S. 62).
Zwischen
Vasallität und Benefizium bestand eine rechtliche
Verbindung, die mit dem Tode des Herrn oder dem Tode des
Vasallen endete und immer zur Ungültigkeit des
Benefiziums führte. Diese bestand insbesondere
hinsichtlich der Pflichterfüllung und führte zur
Einziehung des Benefiziums für den Fall, daß der
Vasall seinen Pflichten gar nicht oder nur mangelhaft
nachkam.
Karl der Kahle hat durch seine Anweisungen von Quierzy
lediglich quasioffiziell festgestellt, daß im
besonderen Fall die herrschenden Gewohnheiten erblich sein
sollen (Quellen:
Ganshof, a. a. O., 6.2.3).
In Abhängigkeit von Stand und Herkunft und durch den
Ausbau einer Stellung als "Dienstmann" erhielten vornehmlich
höher gestellte Königsvasallen das besondere Recht
zur Übertragung von Amt und Benefizium auf ihre
Söhne. Auch im Kommendationsvertrag erfolgten
gelegentlich Regelungen für den Todesfall,
bezüglich einer Neuvergabe des Benefiziums an die
Söhne - eine faktische Erbfolge.
Grundsätzlich blieb jedoch auch bei der
Übertragung des Benefiziums unabdingbare Voraussetzung,
daß der Empfänger des Benefiziums sich
gegenüber dem Herrn kommendierte.
Nicht selten aber wurden hervorragende Dienste von Vasallen
besonders belohnt und gewährte Benefizien in ein Allod
(Eigentum) verwandelt.
"Diese
quasi Landschenkungen belasteten vor allem die Krone;
ihre Vasallen gaben einen Teil des ihnen anvertrauten
Landes an ihre Dienstleute weiter, so daß ein
kompliziertes System von weitergeliehenem Land entstand"
(Quellen:
Pleticha, a. a. O., 6.2.11 - S. 69).
Zur
"Landvermehrung" durch Rodung erfolgten Ansiedlungen und die
Überlassung der Flächen zur Bewirtschaftung, wobei
den Siedlern "bessere" Siedelrechte oder
Abgabenbegünstigungen gewährt wurden.
Das Ende des 9. Jahrh. führte zu tiefgreifenden
Veränderungen aufgrund der Weitergabe von Rechten an
Benefizien an Untervasallen. Eine neue Form mehrfacher
Vasallenbindung - sog. Doppelvasallität - gestattet dem
Vasallen, mehreren Herren gleichzeitig zu dienen und somit
auch mehrfach Benefizien zu empfangen.
Das Bestreben, ein dauerndes Erbrecht für das
erhaltenen Benefizium zu erlangen, und das Bemühen,
weitere Benefizien zu erhalten, führte zu einer starken
Abweichung von den Grundlagen der Kommendation und zu einer
Abschwächung der gewohnten Bindung der Vasallen
gegenüber den Dienstherren.
10.
bis 12. Jahrh.
Die Auflösung der ehemals strengen Regeln der
Verknüpfung zwischen Benefizium und Vasallität
führte zu grundlegenden Veränderungen des
Staatswesens. Die Bindungen der Territorialfürsten an
den König verhinderten die völlige Auflösung
des Staatsgefüges. Obwohl weitgehend unabhängig,
verbanden sich die Grafen und Herzöge als Vasallen
ihrem König, von dem sie ihre Grafschaft oder Herzogtum
"zu Lehen" erhielten (Quellen:
Ganshof, a. a. O. 6.2.2 ).
Eine Treueverpflichtung als Grundlage des Lehns, wie sie der
Kommendation entsprach, bestand jedoch in dieser Form nicht
mehr.
"Die
Macht der Lehnsträger, die selbst wieder eine
große Zahl von Vasallen hatten, wuchs immer
stärker und wandelte das alte Reich aus einem
Untertanenverband in einen Lehensstaat."
(Quellen:
Nack, a. a. O. 6.2.8 - S. 310)
Durch
Verteilung der Flächen ehemaligen Königsguts,
bildeten die Herrschenden klein- und mittelräumige
Territorien, die zu einer vollständigen Erneuerung der
Raumordnung führten (Quellen:
Bosl, a. a. O. 6.2.1 ).
Durch die Feudalisierung des Reiches (Wormser Konkordat von
1122) erlangten die Benefizien eine weitere Bedeutung.
Kirche und Landesherrscher begründeten Investituren
für Ämter, Zölle und Gebietsherrschaften.
Nach Kauf, Tausch, Belehnung mit Kirchenlehn und Erbschaften
wurde der Streubesitz um Burgen und Pfalzen mit Vogtei- und
Gerichtsrechten belegt, um sie schließlich als
großräumige Verwaltungsbereiche miteinander zu
Reichsländern zu verbinden (Quellen:
Meyers Enzyklopädisches Lexikon, a. a. O. 6.2.6 ).
13.
Jahrh.
Das ehemalige fränkische Reich entwickelte sich
uneinheitlich.
Im heutigen Frankreich gewannen die
aus den
Benefizien entstandenen Lehen keine besondere Bedeutung.
Dagegen erhielten die politischen Strukturen des heutigen
Deutschland durch die Fortentwicklung der Benefizien zum
Lehn eine besondere Prägung.
Der feudale mittelalterliche Lehnsstaat fand seine
Rechtsordnung in einer Vielzahl von den Landesherrschern
erlassenen partikularen Lehnsrechten,
die in
Rechtsspiegeln (Sachsenspiegel, Schwabenbenspiegel)
teilweise erfaßt waren.
"Im
ganzen bildete das Lehnsrecht eine in sich geschlossene
Ordnung, in der die Rechtstechnik des
Mittelalters ihren
Gipfelpunkt erreichte" (H. Mitteis, in Brockhaus-
Enzyklopädie, Mannheim, 1988).
Im Gegensatz
zu den in den Kapitularien niedergelegten Anordnungen der
Hausmeier, die bald darauf Könige waren, sind die
Grundlagen des Lehnsrechts in
den Rechtsspiegeln des Mittelalters wenig nachvollziehbar
erfaßt. Diese Tatsache deutet darauf hin,
daß sich
die Regeln der Belehnung an den territorialen
Bedürfnissen orientierten.
Die maßgeblichen rechtlichen Grundlagen der Belehnung
wurden später der Lehnsvertrag - die Abmachung zwischen
Lehnsherren und Lehnsleuten - und der Lehnsbrief, der von
dem Belehnungsakt Zeugnis abgab. Die ausgegebenen Lehn wurde
in einem Lehnsbuch registriert
(Quellen:
Meyers Enzyklopädisches Lexikon, a. a. O. 6.2.6).
Zunächst, wie bei der Gewährung eines
Benefiziums war
ein vasallitischer Vertrag die Grundlage für die
Hergabe eines Lehns, der mit einem Treueversprechen
verbunden und durch Eidesleistung zu bekräftigen
war. Der
Vollzug dieser Rechtsakte erfolgte
größtenteils mündlich
(Quellen:
Ganshof, a. a. O. 6.2.2).
Inhaltlich regelten die vasallitischen Verträge die
übliche Gegenleistung von Waffendiensten bei
Angriff oder
Verteidigung sowie von zeit- und räumlichen
Begrenzungen.
Leistungen in Geld oder Sachen wurden
zunächst weniger vereinbart.
Soweit die Gewährung des Benefiziums immer mit
persönlicher
Verpflichtung des Vasallen verbunden
war, bestand
gegenüber der Hergabe des Lehns der erhebliche
Unterschied, daß dem Vasallen einseitig
die Aufgabe des
Lehns und der damit verbundenen Treueverpflichtung gestattet
war.
Die Lehnsobjekte bestanden meist aus Ländereien
von
unterschiedlicher Ausdehnung und konnten neben Grund und
Boden auch Gebäude einbeziehen.
Darüberhinaus
waren Ämter und Würden Gegenstand
von Belehnungen
sowie Herrschaftsgewalten oder Berechtigungen zur Vergabe
von Unterlehn, Erhebung von
Gebühren und Zöllen etc. verbunden mit der
Belehnung eines Gebiets oder einer kleineren
Länderei.
Ein Lehn dieser Art war regelmäßig mit der
Verpflichtung auf Zahlung einer Rente an versehen. Für
diese sogenannten "Kammerlehn" wurde gelegentlich
auch der
Begriff "Rentenlehn" verwandt (Quellen:
Ganshof, a. a. O. 6.2.2).
Mit der Zeit entstand als weiterer Rechtstypus das
"Pfandlehn",
welches mit Zustimmung des Lehnsherrn
gegenüber
einem Gläubiger als Pfand für Schulden
des Vasallen
diente. Im Falle der Zahlungsunfähigkeit
des Vasallen
erfolgte die Tilgung der Schulden durch
den Lehnsherrn,
der das Lehn darauf zurück erhielt.
Diese Praxis
läßt darauf schließen, daß dem Lehn
eigentumsähnliche Eigenschaften zugeschrieben
waren.
Bestanden dagegen politische Hintergründe oder
Erfordernisse zur Beschaffung von Geld, war es durchaus
nicht ungewöhnlich, an einem Allod (Eigentum)
bestehende Rechte durch Übertragung aufzugeben und den
Besitz wieder als Lehn zurück zu empfangen
(Quellen:
Ganshof, a. a. O. 6.2.2).
Zusammen mit der "Investitur", der Belehnung, und
der Ableistung
des Treueides erfolgte die Übergabe
eines
Gegenstandssymbols, welches aus Gebrauchsgegenständen,
aber auch z. B. einer Handvoll Erde
bestehen
konnte. Die Ausstellung einer Urkunde über
die Investitur
Lehnsbrief war seltenerer Gebrauch.
Zum Verfügungsrecht über das Lehn:
"Der
Vasall hatte ursprünglich nur das Recht des
Nießbrauchs am Lehen, d. h. die Erträge aus
dem Lehen gehörten
ihm. Er durfte das Lehen in seiner Substanz
nicht
verändern, er durfte es weder aufteilen noch
verschlechtern, d. h. seinen Wert vermindern, oder es
veräußern - mit einem Wort, ein
Verfügungsrecht stand
ihm
nicht zu. Abgesehen von dem Verbot der
Lehnsverschlechterung, das im allgemeinen seine Geltung
behielt, gelang es dem Vasallen im Laufe der
folgenden Periode,
sein Recht am Lehen von fast allen Beschränkungen zu
befreien" (Quellen:
Ganshof, a.a. O. 6.2.2. - S. 143).
Durch das
Recht der männlicher Nachkommen des
Vasallen auf
Investitur, entstand in der Art eines dinglichen Rechts
faktisch ein Erbrecht. Die Erhebung einer Erbgebühr
durch den Lehnsherrn - bis zur Höhe
eines
Jahresertrags - war nicht unüblich. Eine gleichzeitige
Erbfolge und Investitur mehrerer männlicher Nachkommen
war möglich, wobei die Unteilbarkeit
des Lehns zu
erhalten war.
"...der
Sachsenspiegel behandelt diese Kollektivbelehnung als
Belehnung zur gesamten Hand" (Quellen:
Ganshoff a.a.O. 6.2.2 - S. 153).
Waren Frauen
von einer Belehnung grundsätzlich
ausgenommen, so
wurden Regelungen der Erbfolge zu
Gunsten minderjähriger Nachkommen und hinterbliebener
Frauen bei Vereinbarungen über die Vasallenpflichten
möglich. Ebenso setzen sich Rechte durch,
die zu einer
Unterbelehnung führten, die Zustimmung
des Lehnsherrn
nur noch bedingt bedurften.
Im Laufe der Zeit veränderten sich die
Gewohnheiten, so
daß den Vasallen Ansprüche auf
Entschädigung bei
Rückgabe des Lehns erwuchsen, bis hin zu einem
größeren Verfügungsrecht als es dem
Lehnsherrn zustand. Dessen Rechte reduzierten sich
außer der Ein- willigung bei Besitzwechsel unter
Lebenden auf ein "Vorkaufsrecht" reduzierten.
Durch eine fortschreitende Verdinglichung des Lehns
trat die
vasallistische Bindung in den Hintergrund und
der Status des
Vasallen bestimmte sich mehr nach
den Rechten am
Besitz eines Lehns.
14.
Jahrh. und folgende
Das Lehn verlor an Bedeutung mit dem Fortfall der aus
Vasallen rekrutierten Ritterheere und der gefestigen
territorialen Herrschaftsverhältnisse, aus denen in
Deutschland Länder der Neuzeit, wie Preußen,
Bayern, Österreich etc. entstanden.
De jure bestanden die Lehn weiterhin. Tatsächlich
entsprach deren Behandlung jedoch derjenigen von
Grundstücken, deren Besitzwechsel besonderer Rechtsakte
bedurfte und unter Erhebung von "Mutationsgebühren"
vollzogen wurde.
Mit dem Ausgang des Mittelalters verloren die Lehn
gänzlich an Bedeutung. Im 18. und 19. Jahrh. wurden die
Lehn auch rechtlich allodifiziert, das Eigentum der
Lehnsherren wurde vollends aufgehoben.
Exkurs:
Die Entstehung des Lehnsrechts während des 6. und 7.
Jahrh. begründete sich im wesentlichen auf dinglichen
(Benefizium) und persönlichen (Vasallität)
Elementen, die sich in einem zeitgemäßen Sachen-
und Personenrecht widerspiegeln. Ebenso lassen sich die
heutigen Rechtsbegriffe der Auflassung, des Grundbuches und
des Grundbuchauszuges durchaus mit den begrifflichen
Bestimmungen des Lehnsvertrages, des Lehnsbuches und des
Lehnsbriefes vergleichen.
3.2. Erbbaurecht
3.2.1 Historie
Durch die sprachliche Verbindung der Begriffe "Bauen" und
"Erben" entstand der einheitliche Rechtsbegriff
"Erbbaurecht".
In der Definition seiner Verwendung ersetzt das Erbbaurecht
die im deutschen Mittelalter entstandenen Lehn. Es
begründet das vererbliche und veräußerliche,
befristete oder unbefristete Recht, auf oder unter der
Oberfläche eines fremden Grundstücks ein Bauwerk
zu haben.
Der Begriff "Erbbaurecht" ist im BGB erstmals verwandt
worden.
3.2.2 Entstehung
Mit der Verkündung des "Deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuches" (Bürgerliches Gesetzbuch) und dessen
Inkrafttreten zum 1.1.1900 erhielt das Erbbaurecht mit den
§§ 1012 bis 1017 Gesetzesnorm.
Die Grundlagen dieses Bürgerlichen Gesetzbuches waren
Gesetze und Rechtsprechung der bis zur Gründung des
Deutschen Reiches im Jahre 1871 bestehenden deutschen
Länder.
Die wesentlichen dem BGB vorweggehenden Rechtsinstitute
ergaben sich aus dem französichen Recht "code civil"
und aus den Aufzeichnungen der Satzungen und des
Gewohnheitsrechts.
Eine besondere Bedeutung kommt dabei den Gewohnheitsrechten
zu, die aus den Lehnrechtsbüchern des "Sachsenspiegels"
(mittelalterliches Rechtsbuch, entstanden 1198 - 1235)
zusammen mit den Kapitularien (Satzungen der
fränkischen Könige) in das sogenannte "Kleine
Kaiserrecht", 14. Jahrh., Eingang fanden
Weitere Bedeutung hatten die Partikulargesetze, wie z. B.
das kursächsische Lehnsmandat von 1764,
preußisches allgemeines Landrecht von 1794, das
altenburgische Lehnsedikt von 1795, das badische Edikt von
1807 und das bayrische Lehnsedikt von 1808 (Quellen:
Meyers Konversations-Lexikon, a. a. O. 6.2.5).
Bodenpolitische Grundlagen der Versorgung großer
Bevölkungskreise mit Wohnraum bestanden nicht. Der
Grundbesitz befand sich zu Anfang des 19. Jahrh. - aufgrund
Erwerb oder Enteignung - überwiegend im Eigentum des
Staates und der Städte und wurde Bauwilligen als sog.
"städtische Bauleihe" - meist unentgeltlich -
überlassen.
Eine Änderung der bisherigen Bodennutzung und der
Eigentumsverhältnisse entstand unter dem Aspekt der
Kapitalbildung. Unter Ablösung der bisherigen
unentgeltlichen Bodennutzung wurden so, insbesondere in den
Städten, wertvolle Baugrundstücke in
Privateigentum überführt (Quellen:
Meyers Konversations-Lexikon, a. a. O.
6.2.5).
"Die
städtische Bauleihe, die bereits bei der Rezeption
des römischen Rechts mit diesem Rechtsinstitut
vermischt worden war und dadurch schon viel von ihrem
Ursprungscharakter verloren hatte, trat ganz in den
Hintergrund. Es war Sache des Bauherrn, sich ein
Baugrundstück zu verschaffen" (Quellen:
Ingenstau, a. a. O. 6.2.4 - S. 19)
Damit verlor
die städtische Bauleihe gänzlich an Bedeutung. Die
Vorarbeiten zum BGB führten wohl zu der Annahme,
daß sich die Rechtsform der Bauleihe zur Bodennutzung
nicht durchgesetzt hatte. Die dürftige und
lückenhafte Regelung der Erbbaurechte in nur sechs
Paragraphen des BGB zeigt, daß das Erbbaurecht
lediglich wegen nicht aufgehobener Erlasse und Anordnungen
nicht abgeschafft, ihm aber keine praktische Bedeutung mehr
beigemessen wurde (Quellen:
Ingenstau, a. a. O. 6.2.4).
Die Erneuerung der in Deutschland über Jahrhunderte
gebräuchlichen Rechte zur Nutzung fremder
Grundstücke nahm sich sehr bescheiden aus und
rechtfertigt die vollständige Widergabe des gesamten
Gesetzestextes an dieser Stelle.
"Bürgerliches Gesetzbuch, Drittes Buch.
Sachenrecht"
Vierter Abschnitt. Erbbaurecht :
§
1012. Ein Grundstück kann in der Weise belastet
werden, daß demjenigen, zu dessen Gunsten die
Belastung erfolgt, das veräußerliche und
vererbliche Recht zusteht, auf oder unter der
Oberfläche des Grundstücks ein Bauwerk zu
haben.
§ 1013. Das Erbbaurecht kann auf die Benutzung eines
für das Bauwerk nicht erforderlichen Teiles des
Grundstücks erstreckt werden, wenn sie für die
Benutzung des Bauwerks Vorteil bietet.
§ 1014. Die Beschränkung des Erbbaurechts auf
einen Teil eines Gebäudes, insbesondere ein
Stockwerk, ist unzulässig.
§ 1015. Die zur Bestellung des Erbbaurechts nach
§ 873 erforderliche Einigung des Eigentümers
und des Erwerbers muß bei gleichzeitiger
Anwesenheit beider Teile vor dem Grundbuchamt
erklärt werden.
§ 1016. Das Erbbaurecht erlischt nicht dadurch,
daß das Bauwerk untergeht.
§ 1017.
(1) Für das Erbbaurecht gelten die sich auf
Grundstücke beziehenden Vorschriften.
(2) Die für den Erwerb des Eigentums und die
Ansprüche aus dem Eigentum geltenden Vorschriften
finden auf das Erbbaurecht entsprechende Anwendung
(BGB).
Damit wird
deutlich, daß mit der Schaffung des BGB eine der
Bedeutung des Erbbaurechts entsprechende gesetzliche
Regelung völlig verkannt und vernachlässigt worden
war.
Bei dem deutschen Erbbaurecht des BGB handelte es sich
weitgehend um Benutzungsrecht, welches das "Haben" eines
Bauwerks auf einem fremden Grundstück erlaubte.
Dringend notwendige Regelungen hinsichtlich des
Erbbauzinses, der Dauer des Erbbaurechts und dem Schicksal
der Gebäude bei Beendigung des Erbbaurechts enthielten
die Bestimmungen des BGB nicht.
Die nur unzulänglichen Regelungen der Erbbaurechte des
BGB verunsicherten Grundstückseigentümer und
Bauwillige gleichermaßen. Lediglich in
Einzelfällen kamen Erbbaurechtsverträge zur
Errichtung von Wohnungen meist auf fiskalischem Grundbesitz
zustande.
z. B.:
Charlottenburger Vertrag:
Erbbauvertrag zwischen der Stadt Charlottenburg und der
Volkshotel-Aktiengesellschaft "Ledigenheim" vom 2.11.1906.
(Quellen:
Pesl, a. a. O. 6.2.10 - S. 70)
In so vereinbarten Erbbaurechtsverträgen wurden
hinsichtlich des Erbbauzinses Regelungen getroffen, die sich
überwiegend an den jeweiligen Werten des
Grundstücks orientierten. Die Berechnung der Höhe
des Erbbauzinses erfolgte uneinheitlich zwischen 2½ und
4 %. Nicht unüblich waren Erbbauzinsvereinbarungen in
Geld je m² Bodenfläche, periodische Zahlungsweise
und Veränderungen des Erbbauzinses in bestimmten
Zeitabschnitten.
Entschädigungen für vom Erbbaunehmer errichtete
Gebäude, bei Beendigung des Rechts oder bei Eintritt
vertraglicher Auflösungsbestimmungen, waren in der
Regel nicht vereinbart oder sogar ausdrücklich
ausgeschlossen.
Die dürftigen rechtlichen Regelungen führten in
den wenigen Fällen der Begründung von
Erbbaurechten zu vertraglichen Vereinbarungen, wie
Veräußerungsverboten oder Berechtigungen der
Grundeigentümer zur Aufhebung von
Erbbaurechtsverträgen u. ä., die einer allgemeinen
Anwendung des Erbbaurechts entgegenstanden.
Ein maßgebliches Hindernis in der Anwendung des
deutschen Erbbaurechts nach den §§ 1012 bis 1017
des Bürgerlichen Gesetzbuches bestand in der
Inanspruchnahme von Finanzierungsmitteln.
Die Erlangung von Baudarlehn oder Hypotheken war nahezu
ausgeschlossen, da erheblichen Bedenken in die ausreichende
Sicherheit lediglich des Benutzungsrechts bestanden.
Nur soweit (fiskalische) Darlehnsgeber als
Grundeigentümer selbst am Erbbaurecht beteiligt waren
oder der Eigentümer bei der Gestellung von Sicherheiten
mitwirkte, war das erforderliche Baukapital darstellbar.
(Quellen:
Pesl, a. a. O. 6.2.10)
Schon bald wurde erkennbar, daß die gesetzlichen
Grundlagen des BGB nicht ausreichten, um den
Bedürfnissen der Ausgeber von Erbbaurechten und deren
Inhaber sowie den Anforderungen der Gerichte zu
entsprechen.
Die wirtschaftlichen Grundlagen und das soziale Gefüge
Anfang des 20. Jahrh. forderten daher entsprechende
gesetzliche Maßnahmen zur Bereitstellung von Boden zur
Wohnraumschaffung. Es galt gleichzeitig, den
Kleinwohnungsbau zu fördern und Bodenspekulation zu
verhindern.
Bereits kurz nach dem Inkrafttreten des BGB erkannten die
deutschen Bodenreformer (besonders ist zu verweisen auf
Adolf Damaschke, Sozialpolitiker und Nationalökonom,
1865 - 1935) die Reformbedürftigkeit des
Erbbaurechts.
Bei der Abfassung dieser Gesetze wurde deutlich auf
frühere Inhalte der römischen Superfizies Bezug
genommen.
"Begründet
wird die Superfizies durch Verleihung seitens des
Grundstückseigentümers, durch Vertrag oder
durch letztwillige Verfügung, dann durch
richterlichen Spruch und durch Ersitzung. Die Beendigung
des Rechts erfolgte durch Aufgabe seitens des
Superfiziars und durch Verjährung. Verschlechterte
sich der Boden oder ging das Haus durch Erdbeben oder
Feuer unter, so erlosch das Recht noch nicht, sondern die
Gebäude mußten neu errichtet werden.
Da der Superfiziar die Gebäude errichtet hatte, so
stand es ihm an sich auch frei, diese wieder abzubrechen:
wenn nicht die Gebäude vertragsgemäß
für die Zinsleistung haften mußten. Hatte der
Grundstückseigentümer die Gebäude
errichtet und diese dem Superfiziar mit dem Rechte der
Superfizies verliehen, so hatte der Superfiziar nicht das
Recht, die Gebäude abzubrechen oder absichtlich zu
verschlechtern. - Das Recht der Superfizies war
veräußerlich und vererblich und konnte auch
verpfändet und mit Dienstbarkeiten, Reallasten und
anderen Rechten belastet werden. Als Entschädigung
für die Benutzung des fremden Bodens hatte der
Superfiziar eine jährliche Abgabe (solarium, pensio)
an den Grundstückseigentümer zu bezahlen;
jedoch war der Zins durchaus nicht wesentlich, aber fast
immer vorhanden.
Nach Degenkolb (Degenkolb:
Platzrecht und Miete, 1868 in Pesl, "Das Erbbaurecht")
hatte er nicht bloß den Sinn eines
Nutzungsäquivalentes, sondern auch den einer
Nutzungsgebühr.
Paulus (Paulus: n. n. b. in Pesl, "Das
Erbbaurecht") nimmt daher die Verpflichtung der
Zinsleistung geradezu in die Begriffsbestimmung des
Superfiziars auf.
Die auf dem Grundstücke ruhenden Lasten hatte immer
der Superfiziar zu tragen." (Quellen:
Pesl, a. a. O. 6.2.10 - S. 8)
Ganz im
Gegensatz zu der mittelalterlichen Auffassung, daß
Häuser und Gebäude "fahrender Haabe" zugerechnet
wurden, sollten die Rechtsgrundsätze der Superfizies,
die insbesondere aus Steinen errichtete Häuser und
Gebäude mit dem Grundstück verbanden, in den neuen
Rechtsgrundlagen entsprechend Berücksichtigung
finden.
Mit der Verkündung der "Verordnung über das
Erbbaurecht" vom 15.1.1919 trat diese an die Stelle der
§§ 1012 bis 1017 BGB.
Die Verordnung trat am 22.1.1919 in Kraft und bildet noch
heute die gesetzliche Grundlage. Die Verordnung über
die Erbbaurechte wurde zuletzt geändert durch Art 2,
§ 1 Gesetz vom 21.9.1994 (BGBl I 2457)
Das
Erbbaurecht ist das veräußerliche und
vererbliche Recht, auf oder unter einem fremden
Grundstück ein Bauwerk zu haben.
Das Erbbaurecht ist ein beschränktes dingliches
Recht an einem fremden Grundstück und zugleich
ein grundstücksgleiches Recht, das
grundsätzlich wie ein Grundstück behandelt
wird.
(Quellen:
Palandt, a.a.O., 6.3.1.1 - S. 1180)
"Die
Bestellung des Erbbaurechts bedarf der notariellen
Beurkundung, sie erfolgt durch formlose Einigung und
Eintragung an erster Rangstelle in das Grundbuch des
belasteten Grundstücks".
"Für die Überlassung des Erbbaurechts
übernimmt der Erbbauberechtigte in der Regel ein
Entgelt in wiederkehrender Leistung - Erbbauzins -, das
durch eine auf dem Erbbaurecht ruhende Reallast
abgesichert werden kann. Diese wird in das für das
Erbbaurecht angelegte besondere Grundbuch -
Erbbaugrundbuch - eingetragen" (Quellen:
Meyers Enzyklopädische Lexikon, a. a. O. 6.2.6 -
S. 56).
Die
Bestellung eines Erbbaurechts erfolgt für immer oder
auf Zeit (üblicherweise 30 bis 99 Jahre). Ein auf dem
Grundstück errichtetes Gebäude gilt als
wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts. Das Erbbaurecht
erlischt durch Zeitablauf. Der
Grundstückseigentümer hat für bei Zeitablauf
auf dem Erbbaurecht vorhandene Gebäude an den
Erbbaunehmer eine Entschädigung zu leisten
(Quellen:
Sprengnetter, a. a. O. 6.2.12).
Exkurs:
Die Verordnung über das Erbbaurecht vom 15.1.1919
(ErbbRVO) besteht aus 39 Einzelverordnungen. Sie regelt
umfassend in einzelnen Abschnitten:
Begriff und Inhalt des Erbbaurechts
Grundbuchvorschriften
Beleihung
Feuerversichrung und Zwangsversteigerung
Beendigung, Erneuerung und Heimfall
Die §§ 1012 bis 1017 BGB haben weiterhin Bestand
für solche Erbbaurechte, die vor dem 22.1.1919
begründet wurden.
Fortsetzung:
Teil
II
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