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2.
Pflegeverpflichtungen


2.1
Vorbemerkung


Das Grundstück ist am Wertermittlungsstichtag mit einer Reallast - Pflegeverpflichtung - zugunsten der Berechtigten belastet. Im Rahmen der Verkehrswertermittlung von Grundstücken ist zur Berücksichtigung von dinglich gesicherten Pflegeverpflichtungen die besondere Problemstellung zu unterscheiden, ob

  • - der Pflegefall bereits eingetreten ist oder
  • - der Pflegefall noch nicht eingetreten ist.


Strotkamp hat zur Bewertung von Pflegeverpflichtungen eine Lösungsmöglichkeit angeboten und sich dabei weitgehend von dem Gedanken leiten lassen, wie sich ein potentieller Grundstückskäufer von übernommenen Verpflichtungen freikaufen könnte.

Der Umfangs der übernommenen Pflegeleistung ist anhand der zugrundliegenden vertraglichen Vereinbarungen genau zu definieren.

Ein »Freikauf« von der Pflegeverpflichtung durch den Verpflichteten wäre, wenn der Pflegefall noch nicht eingetreten ist, in aller Regel zu einem »Preis« denkbar, zu dem der Verpflichtete die Finanzierung der Pflege durch eine private Pflegeversicherung sicherstellen, und daraus - im Falle des Eintritts der Pflegebedürftigkeit - die Kosten für die Übertragung der Wartung und Pflege auf eine örtliche Sozialstation finanzieren könnte. Im Rahmen der Verkehrswertermittlung reduziert sich das Problem damit auf die Ermittlung des Barwerts
(By = Barwert bei weiblichen Personen, Bx = Barwert bei männlichen Personen)
einer an das Leben des Berechtigen gebundenen Leibrente in der Höhe der Versicherungsbeiträge.
Die Grenzen dieses Modells sind jedoch angezeigt, wenn der Berechtigte das 65. Lebensjahr bereits überschritten hat und das Risiko, ein Pflegefall zu werden, nicht mehr versichert werden kann.

Ein vernünftig handelnder Teilnehmer am Grundstücksmarkt wird daher das Risiko im Alter der Berechtigten mindestens so einschätzen, dass die Pflegebedürftigkeit sofort oder je nach Alter des Berechtigten, nach einer Aufschubzeit von ca. 4 bis 10 Jahren eintreten wird. Damit wird nicht ein eventueller Zeitpunkt des Eintritts der Pflegebedürftigkeit, sondern lediglich eine Risikominimierung geschätzt.

Demnach ist, wenn die Versicherungsunternehmen das Risiko der Pflegebedürftigkeit nicht mehr versichern, der Barwert der Pflegekosten unter der Fiktion der Pflegebedürftigkeit zu ermitteln und über eine altersabhängige Laufzeit - von im Bewertungsfall ebenfalls - 4 bis 10 Jahren abzuzinsen. Grundlage der Berechnung der Belastungen
können die Preisangaben für häusliche Pflege der Pflegedienste sein, in der derzeit gültigen in Höhe von:

je Einsatz für große Pflege

DM

42,70

je Einsatz für Hauswirtschaft

DM

53,20*

(*entsprechend 13,30 DM/Std.)

Bei dieser Wertermittlung findet die allgemeine Sterbetafel 1986/88 für die BRD (alte Bundesländer) Anwendung. Die abgekürzte Sterbetafel 1992/94 (Deutschland insgesamt) findet keine Verwendung, weil hierin derzeit keine hinreichenden für die Wertermittlung erforderlichen Daten zu den überlebenden Personen veröffentlicht sind.



2.2
Berechtigte: Ehefrau


Methode: Der Verpflichtete - Eigentümer - kann sich von der durch Reallast übernommenen Verpflichtung durch eine private Pflegeversicherung, die den entsprechenden Aufwand abdecken muss, »freikaufen«, da die Berechtigte das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Berechnung auf der Grundlage von zwei großen Pflegen je DM 42,70 DM/Tag und einer hauswirtschaftlichen Versorgung je 52,30 DM/Woche = monatlich

60 x grosse Pflege

DM

2.562,00

4 x Hauswirtschaft

DM

212,80

monatlich

DM

2.774,80

rd.

DM

2.800,00

entsprechend je Tag

rd.

DM

92,00

Bei durchschnittlichem Gesundheitszustand der Berechtigten wird, um den o. g. Pflegesatz solidargemeinschaftlich zu sichern, nach Angabe der Versicherungswirtschaft derzeit von einer üblichen Versicherungsprämie von rd. DM 500,00 monatlich anzugehen sein.

Die monatlichen Versicherungsprämien in Höhe von DM 500,00 werden als Rentenrate aufgefasst
und zum Barwert (By) einer Leibrente (da an das Leben der Berechtigten gebunden) kapitalisiert.
Der Kapitalisierungszinssatz »p« ergibt sich als dynamischer Kapitalzinssatz:

p

=

k - s

=

7 % - 4 % = 3 %

k

=

Kapitalzinssatz

s

=

Teuerungsrate der Versicherungsprämie, um einen gleichbleibenden Versicherungsschutz zu gewährleisten


Berechnungsformel (Frauen):

By

=

R x ay(12)

R

=

jährl. Versicherungsprämie

ay(12)

=

Leibrentenbarwertfaktor (p = 3 %) für eine weibliche Berechtigte
im Alter von 62 Jahren (Zahlungsweise: monatlich vorschüssig)


Berechnung:

By

=

DM 6.000,00 x 14,687 = DM 88.122,00



Der Barwert der Pflegeverpflichtung für die Ehefrau
beträgt am Wertermittlungsstichtag rd. DM 88 000,00.




2.3.
Berechtigter: Ehemann


Methode: Da eine Pflegebedürftigkeit nicht eingetreten ist, der Berechtigte aber ein Alter erreicht hat, in dem Versicherungsunternehmen das Pflegerisiko nicht mehr versichern, wird der Verpflichtete
- Eigentümer - in Betracht ziehen müssen, dass bei dem Berechtigten in einem absehbaren Zeitraum eine Pflegebedürftigkeit eintreten kann. Für diesen Fall der Bewertung ist empfohlen, den Barwert der Pflegekosten für den 66-jährigen Berechtigten zu ermitteln und diesen über einen (Aufschub-)Zeitraum von 7 Jahren abzuzinsen.

Berechnung der Pflegekosten auf der Grundlage von zwei großen Pflegen je DM 42,70 DM/Tag und einer hauswirtschaftlichen Versorgung je 52,30 DM/Woche = monatlich

60 x grosse Pflege

DM

2.562,00

4 x Hauswirtschaft

DM

212,80

monatlich

DM

2.774,80

rd.

DM

2.800,00

entsprechend je Tag

rd.

DM

92,00

Die monatlichen Pflegekosten werden als Rentenrate einer Leibrente aufgefasst. Leibrentenbarwertfaktoren sind jedoch nur für Frauen und Männer mit einem durchschnittlichen Gesundheitszustand veröffentlicht. Vorliegend wird aber der Pflegefalleinritt bereits prognostiziert; womit zudem zu berücksichtigen ist, dass Pflegebedürftige eine geringere Lebenserwartung haben, als der Durchschnitt der Bevölkerung im jeweiligen Alter.

Deshalb wird der Leibrentenbarwertfaktor für den Bevölkerungsdurchschnitt mit dem Quotienten (kx) aus der Erlebniswahrscheinlichkeit von Pflegebedürftigen und des Bevölkerungsdurchschnitts multipliziert.
Weil der Pflegefall noch nicht eingetreten ist, wird zur Risikominimierung - da er schon morgen eintreten könnte - von der Fiktion ausgegangen, dass er in geschätzt 7 Jahren tatsächlich eintreten wird.

kx

=

e1x1

e2x2

(1 Sterbetafel Pflegebedürftiger, japanische Stichprobe
(2
Allgemeine Sterbetafel 86/88

e1x

=

statistische Lebenserwartung von pflegebedürftigen Männern

e2x

=

statistische Lebenserwartung überwiegend nicht pflegebedürftiger Männer

kx

=

6,84 / 13,39

kx

=

0,51


Da der Pflegefall auch während der Aufschubzeit eintreten kann, wird dieses Risiko durch
Multiplikation mit dem Korrekturfaktor fx aus der Pflegehäufigkeit (j) im Alter x = 66 Jahre
und im Alter x + n = 7 Jahre berücksichtigt:

fx

=

1-jx3

1-jx+n

(3 Pflegehäufigkeit, Ermittlung der Allianz Vers. AG

jx

=

Pflegehäufigkeit im Alter 66 Jahre

jx+7

=

Pflegehäufigkeit im Alter von 66 Jahren + 7 Jahren

fx

=

0,970 / 0,929

fx

=

1,045


Da der Berechtigte auch während der Aufschubzeit versterben kann, wird diese Möglichkeit
durch Multiplikation mit dem Korrekturfaktor lx aus der Anzahl der Überlebenden (e)
im Alter von x = 66 Jahre und im Alter von x + n = 7 Jahre berücksichtigt:

Ix

=

tx+n2

tx

(2 Allgemeine Sterbetafel 86/88

tx

=

Überlebende von 100 000 im Alter von 66 Jahren

tx+n

=

Überlebende von 100 000 im Alter von 66 Jahren + 7 Jahre

Ix

=

57 419 / 74 245

Ix

=

0,773


Die monatlichen Pflegekosten in Höhe von DM 2 800,00 werden als Rentenrate aufgefasst und zum Barwert (Bx) einer Leibrente (da an das Leben des Berechtigten gebunden) unter Berücksichtigung einer Aufschubzeit von 7 Jahren bis zum Eintritt einer Pflegebedürftigkeit kapitalisiert.
Der Kapitalisierungszinssatz »p« ergibt sich als dynamischer Kapitalzinssatz:

p

=

k - s

=

7 % - 4 % = 3 %

k

=

Kapitalzinssatz

s

=

Teuerungsrate der Pflegekosten pro Jahr


Berechnungsformel:

Bx

=

1
q7

x R x ax+7(12) x fx x lx x kx

R

=

jährliche Pflegekosten (mon. DM 2 800,00 x 12 Monate)

1/q7

=

Abzinsungsfaktor über die Aufschubzeit (n = 7 Jahre)

q

=

1 + p

p

=

k - s = 3 %

ax+7(12)

=

Leibrentenbarwertfaktor im Alter von 66 + 7 Jahren (p = 3 %)
(Zahlungsweise: monatlich vorschüssig)

fx

=

1,045

lx

=

0,773

kx

=

0,51


Berechnung:

Bx

=

1
1,037

x DM 33.600,00 x 7,731 x 1,045 x 0,773 x 0,51

=
DM
87.012,00

Bx

=

rd.
DM
87.000,00


Der Barwert der Pflegeverpflichtung für den Ehemann
beträgt am Wertermittlungsstichtag rd. DM 87 000,00.






Verfasser:
Klaus-P. Lemmer, Leverkusen, 1998

Von der Industrie- und Handelskammer Köln
öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die
Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken

Zertifizierung gemäß DIN EN 45013
Sachverständiger für die
Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken
IfS-Zert (DAR-Reg. Nr. TGA ZP-009/94-00)
Personalzertifizierung Nr. 021003

Gutachter (TAS)* für die Bewertung bebauter und unbebauter Grundstücke
sowie Mieten und Pachten
Zeugnis-Nr. GU/1996.08.24-06
* Technische Akademie Südwest e. V. – TAS® – an der Universität Kaiserslautern


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